Kolumnen April 2015 - April 2017
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Zugspitz Ultratrail 2018
Es ist Samstagabend, 23:50 Uhr. Hier, wo sich der schmale Pfad durchs Gebüsch schlängelt, ist der Einstieg hoch zum Längenfelder. Das heißt, gut 50 Minuten steigen, über Wurzeln, Geröll, durch Bäche und über Baumstämme, im schmalen Licht der Stirnlampe. Zu diesem Zeitpunkt im Rennen eine echte moralische Herausforderung. Seit 7:15 Uhr bin ich unterwegs auf dem Zugspitz Ultratrail, der im malerischen Grainau so sanft beginnt, über kleinere Pisten und Hügel führt, nicht schlimmer als der Rennsteig, aber mit atemberaubenden Aussichten nach oben auf die Zugspitze, die direkt vor einem liegt. Und romantisch geht es weiter, durch Wälder, die noch ein wenig Schatten bieten gegen die kräftiger werdende Morgensonne, dann der großartige Ausblick nach Süden auf die Mieminger Kette, wo sich ganze Trauben fotografierender Läufer bilden. Nach der Pestkapelle (km 27) wird es dann alpiner und es geht steil hoch auf 2.045 m zum Feldernjöchl, über ein Schneefeld bergab geschlittert zum Steinernen Hüttl und rüber in Richtung Rotmoosalm. Vor mir eilt Philipp Reiter mit einer riesigen Fotokamera und schießt aus dem Laufen Bilder wie ein Kriegsberichterstatter. Unten kurz verschnaufen an der Hämmermoosalm. Hier brennt die Nachmittagssonne richtig und jeder Meter aufwärts kocht einem das Hirn weicher. Kurz vor dem Scharnitzjoch gibt es dann zum Glück ein paar Wolken und gleich eisigen Wind. Sehr erfrischend. Wieder unten am Hubertushof hat man dann schon gut 3.500 Höhenmeter hochzu, 3.100 abwärts, und ich liege mit knapp 10 Stunden gut in der Zeit. Nicht zu lange darüber nachdenken, dass das erst die Hälfte war … Jetzt geht es eine ganze Weile flach weiter und im lockeren Trab am Flussufer entlang, durch die Leutascher Geisterklamm nach Mittenwald, dann rüber zum Ferchensee im weichen Abendsonnenlicht. Da kommt fast ein bisschen Urlaubsstimmung auf. Das denken so einige, die hier aussteigen. Hier ist auch der perfekte Punkt, wenn man sich den Rest nicht mehr antun will. Denn jetzt kommen hinter Schloss Elmau die nächsten kräftezehrenden Hügel, es wird dunkel, die Partnachklamm wartet mit einem kurzen, aber knackigen Anstieg und man bereitet sich gedanklich schon auf die letzten 15 km vor, die nochmal 1.000 Höhenmeter aufwärts führen.
Langsam, aber stetig steige ich also zum Längenfelder hoch und … nanu, war hier nicht immer eine Verpflegungsstation? Hat das etwa jemand beim Briefing erwähnt? Aber ich schlafe jedes Mal ein, wenn dort bei höllisch schlechter Akustik das Reglement komplett und sehr langsam vorgelesen und anschließend auf Englisch wiederholt wird … Wird wohl verlegt worden sein, also gleich weiter. Und weiter und weiter, war das schon immer so steil? Nahm das schon immer kein Ende? Und frisch ist es geworden. Ich weiß langsam nicht mehr, wo ich das noch herhole, aber wie in Trance stapfe ich weiter. Und irgendwann ist man dann ja auch oben, also ganz oben, an der Bergstation der Alpspitzbahn, und muss „nur noch“ die rund 1.300 Hm nach unten. Der Jägersteig ist rutschig und um halb drei früh die Koordination nicht mehr optimal, aber ich mache mich nur einmal lang. Von Hammersbach aus nochmal Geschwindigkeit aufnehmen und die letzten zwei Kilometer durchs nächtliche Grainau und nur noch einmal direkt vor dem Ziel in eine Sackgasse laufen … Trotzdem schaffe ich es knapp unter die 20:30-h-Marke. Eine schöne, epische Dramaturgie, aber es ist auch in Ordnung, wenn die 101,9 km und 5.480 Hm dann geschafft sind. Nur noch 4 Kilometer zum Zeltplatz wandern, eine heiße Dusche und zwei Stunden Ruhe bis die schreienden Camper aufwachen … und im Bus zurück in die Hauptstadt.
Noch geht es sehr familiär zu, aber der Zugspitz Ultratrail wächst in seiner achten Auflage weiter. Das erste Mal waren alle fünf Distanzen ausverkauft und auch die Profis schnuppern schon mal rein. Die beiden Spanier Tofol Castaner (10:59 h) und Clemente (10:59 h) versauen Thomas Farbmacher (11:16 h) den dritten Sieg in Folge, der „nur“ Dritter wird. Bei den Damen siegt Caroline Chaverot (12:59 h) vor der Tiroler Schwedin Kristin Berglund (13:11 h) und der Polin Magdalena Laczak (13:25 h). Von 566 Startern (davon 58 F) erreichen 389 (35) das Ziel. Sogar Laura Dahlmeier startet vor ihrer Haustür beim Supertrail (62,8 km) und wird aus dem Stand Dritte.
Mit dem Rennsteig bin ich spät in die Saison gestartet, aber inzwischen scheint es wieder zu laufen. Jetzt drei Wochen ruhig angehen und dann wartet ja auch schon der bezaubernde TU.
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