Kolumnen April 2015 - April 2017
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    100 Meilen Berlin 2015



    Nachdem der erste Versuch im letzten Jahr eher ein Alptraum war (ziemlich spontane Teilnahme und dann zuviele Probleme auf einmal: Essen, Schuhe, Müdigkeit) und mit einer endlos quälenden 50 km Wanderung nach 28 Stunden zu Ende ging, nun der zweite Versuch auf dem Berliner Mauerweg. Mal sehen, ob sich da nicht ein bisschen was optimieren lässt. Samstag früh im Jahn-Sportpark, 299 Einzelläufer werden starten, dazu kommen 57 Staffeln und etwa 100 Fahrradbegleiter. In seinem vierten Jahr wird der Lauf schon eine ordentliche Völkerwanderung. Die Wetterpropheten sind seit Tagen uneins: von 25 bis 35°C, dazu 3 bis 12 l Regen und Gewitter davor, danach oder mittendrin ist alles irgendwie angekündigt. Hübsch warm ist es schon beim Start um 6. Aber man muss ja auch nicht so rasen, ist schließlich ein Stück. Also antraben im Großfeld, 2015 geht es linksrum und man ist schnell "auf dem Lande". Lübars, Frohnau, ratzfatz bin ich in Hennigsdorf (km 34) nach genau 4:00 h. Den Dropbag lasse ich liegen, fülle nur Wasser auf, tauche die Mütze ins Wasser und weiter. Dieses Jahr will ich an den 27 VPs nicht soviel Zeit verlieren, außer Wasser habe ich alles dabei: Riegel, Gels und in Tüten abgepacktes Isopulver. Die Sonne brennt zwar schon heftig, aber ich liege 15 min vor meinem Plan, und erfrischt höre ich ein bisschen die Wissenschaftssendung auf Radio Eins. Macht richtig Spaß (ich weiß: das geht vorbei). Der Vorteil, wenn man die Strecke kennt, ist: man kann sich auf die nächste schattige Passage freuen. Außerdem ist es in der prallen Sonne zwar unangenehm, aber kein Vergleich mit dem Thüringen-Ultra im Juli (und 10-12°mehr). So ziehen die Kilometer ins Land: Grenzturm, Eiskeller, Falkenseer Chaussee, ein paar Höhenmeter zur Karolinenhöhe, der Party-VP bei Pagel & Friends (wie immer sehr hübsch), jetzt bloß nicht stehen bleiben. Kurz vor Sacrow (km 71) eine kleine Schwächephase, aber auch das geht vorüber. Schnell Vorräte aus dem Dropbag auffüllen, neues Shirt und weiter. Inzwischen (15:20 Uhr) sind einige Wolken aufgezogen, sogar ein kurzer Schauer ist drin. Geradezu wie bestellt. So gehts. Nun den vielleicht hässlichsten Teil an der Bundesstraße entlang um die Bucht herum (gemeinerweise sieht man die Glienicker Brücke schon 10 km vorher). Griebnitzsee und der endlose schnurgerade Königsweg: langsam wird es Abend, der Wald dampft und knistert und es fühlt sich fast wie Urlaub an. Ich liege immer noch ungefähr im Zeitplan und mache im Kopf die erste Milchmädchenrechnung auf (noch 60 km und 10 h, um vor 6 Uhr da zu sein: ist ja "nur" ein Schnitt von 6 km/h nötig, also leicht schneller als flottes Wandern. Nur ist das Laufen bereits jetzt im Bereich von 6 km/h angekommen). Teltow, km 103, letzter Dropbag. Warnweste an (Vorschrift), Stirnlampe auf und ganz viel Überflüssiges in den Rucksack gestopft: haufenweise Essen, warme Sachen, Regenjacke (immer noch sind Starkregen und Gewitter angesagt) und ab in die Nacht. Im Dunkeln ist das Tempo schwer zu kontrollieren und ich verliere von VP zu VP weitere Minuten. In Rudow (km 130) liege ich 27 min hinten und muss mich ein bisschen treten. Mein Mantra ist seit Teltow: ich will das Ding nicht nochmal laufen müssen, nicht wegen 10 Minuten über den 24 h. Dann beiße ich mich wochenlang in den Hintern. Also rausholen, was geht. Nächster VP:1 min aufgeholt, dann 5 min, dann geht es durch Kreuzberg und um 3:30 Uhr ist hier die Hölle los, Slalom um die Partyjugend (was die wohl denken?). East Side Gallery, wieder Kreuzberg. Vorm Engelbecken verliere ich kurz die Pfeile (hier im Finstern auch mit Stirnlampe extrem schwer zu sehen) und werde von einem anderen Läufer richtig angeschnauzt, weil ich "falsch" herum am Luisenstädtischen Kanal lang bin. So ein A..., aber danke für das Adrenalin, jetzt komme ich abschnittsweise wieder auf 8er Tempo, trotzdem bleibt es knapp. Jetzt will ich aber wirklich. Rase (gefühlt) die Wilhelmstraße lang (schön bei Rot an den Ampeln warten, machen auch nicht alle ...). Eine Radbegleiterin muntert mich auf: du bist schnell, du schaffst das. Reichstag, Invalidenstraße, letzter VP, Gartenstraße, jetzt nur noch die Bernauer hoch. An der Brunnenstraße steht eine Uhr: 5:37 Uhr. JETZT bin ich mir sicher. Ins Stadiongelände, den Ehrengalopp und genießen! 23:45 h und ich hab sie, die verd... Gürtelschnalle! Yes. (und 4:20 h aufs letzte Jahr gutgemacht). Danke an alle ultrafleißigen Helfer. Und ich wage es kaum zu sagen - es soll ja in erster Linie wehtun ;-), aber es hat ... Spaß gemacht.


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