Kolumnen April 2015 - April 2017
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    Zugspitz Ultratrail 2016



    Es ist Sonntagmorgen, ich schätze so gegen halb eins, was heißt, ich bin seit mehr als 17 Stunden unterwegs. Es regnet, solange ich zurückdenken kann, mindestens seit dem Scharnitzjoch, ohne Pause. Bei jedem zweiten Schritt rutschen die Füße im Schlamm wie auf Schmierseife und ich muss die Stöcke kräftig in den Boden rammen, um nicht zu fallen. Dass ich das schon den ganzen Tag tue, nimmt meine Schulter langsam übel. Nebel gesellt sich zum Regen und ich muss die Stirnlampe runterdrehen, um noch ein bisschen was vom Weg zu erkennen. Da höre ich laute Musik aus der Ferne, diese österreichische Band, die gerade so in ist, wie heißt die noch gleich, und als ich die tropfenbehangenen Sträucher über dem schmalen Pfad auseinanderschiebe, funkelt in voller Festbeleuchtung Schloss Elmau, eindrucksvoll umrahmt von den dunkel dahinterliegenden Alpengipfeln. Und für einen Moment vergesse ich die Anstrengung, die Kälte, den Regen und den unsäglichen Morast und atme tief den Augenblick. Einfach nur Dasein, hier und jetzt, im Wald, in den Bergen. Was mich da so in zen-buddhistische Sphären treibt, wie die Kenner weise nickend bereits wissen werden, ist der Ultratrail um die Zugspitze und mein erster läuferischer Ausflug in alpines Gelände. Ich habe deshalb auch keine Ahnung, ob es dieses Jahr schwerer oder leichter war oder so wie immer. Immerhin hörte man schon nach der ersten großen Rutschpartie vom Feldernjoch runter, wo sich die Leute reihenweise hinlegten, allenthalben ein gewisses Stöhnen an der Hämmermoosalm, das sich nach weiterem Starkregen und Waten und Schlittern durch richtiggehende Schlammflüsse bis zum VP5 in Reindlau bei einigen zu veritablem Murren gesteigert hatte ("Und das war erst die Hälfte!"). Was wohl auch die relativ große Zahl an DNF's erklärt (ca. 230). Man muss sich ja auch nicht alles antun, zumal man nicht immer weich fällt. Ich laufe bergab eher defensiv, bleibe dafür aber auf den Beinen. Ansonsten ist das Ganze ein großes Abenteuer für mich, alles noch machbar und die Kulisse bleibt trotz des Wetters atemberaubend. Nachdem es morgens um 7:15 Uhr etwas hektisch losging, weil ich mich erst zwei Minuten vor Start ganz hinten einreihen konnte, Jacke aus, Stöcke aufgeklappt und los, konnte ich die Aussicht, das schöne Wetter und die Atmosphäre richtig genießen. Endlich bekommen die immer wieder gehörten Namen ein zugehöriges Bild: Gamsalm, Pestkapelle, Feldernjöchl, Rotmoosalm, und es ist, als wenn ich in einem oft gesehenen Film plötzlich selber mitspielen darf. Im ziemlich steilen und langen Anstieg zum Feldernjöchl, zeigt das Gebirge dann auch schon seine raue Seite: Regen, Hagel, heftiger und eisiger Wind und der Rucksack mit den vielen warmen (Pflicht-)Sachen leert sich zusehends. Dann die Rutschpartie bergab über ein großes Schneefeld und schlammige Wiesen. An der Hämmermoosalm auf wasserdichte Socken gewechselt (unverzichtbar!), am Hubertushof im Platzregen ein trockenes Hemd aus dem Dropbag gefischt, der Rest lohnt das Wechseln nicht. Jetzt geht es erstmal flach weiter am Flussufer und man kann wieder ein wenig traben (obwohl das mit den Regenklamotten gleich wieder zu warm wird). Wer noch Körner hat, kann hier wohl richtig Meter machen, aber mein Ehrgeiz hält sich in Grenzen. Meine Ziele sind: gesund bleiben, ankommen und nicht Letzter werden. Am Ferchensee idyllische Abendstimmung (nur noch leichter Niesel), ab hier geht's mit Stirnlampe weiter in den Wald. Alles dunkel, vor und hinter mir niemand, nur das gleichmäßige Rauschen des Regens, leichtes Gehügel und irgendwann verliere ich jedes Zeitgefühl. Müsste die Partnachalm nicht gleich kommen? Bin ich nicht schon Stunden seit dem letzten VP gelaufen? Oder war das eben erst? Auch egal, einfach weiterlaufen. Irgendwann kommt erst Elmau, dann die Partnachalm, dann der nicht endenwollende und morastige Sepentinenaufstieg zum VP Längenfelder, die Osterfelder Ehrenrunde, von deren gerühmten Aussichten ich leider nichts mitbekomme. Den Jägersteig runter, der gar nicht so schlimm ist wie einiges andere heute, langsam wird es auch wieder heller und es fühlt sich gut an, nur noch wenige Kilometer bis "nach Hause" zu haben, das heute in Grainau liegt. Den ganzen Tag sturzfrei (dafür eher langsam), schaffe ich es, mich buchstäblich auf den letzten möglichen Schlamm-Metern in Sichtweite von Hammersbach nochmal so richtig hinzulegen. Aua ... Auch egal. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, eine richtige Straße, ich hatte schon vergessen, wie sich das anfühlt. Also antraben und das geht sogar tadellos. Die letzten Meter durchs morgendliche Grainau. Überlege kurz, ob ich noch eben zur Bushaltestelle rüberrenne und den Fahrplan zum Zeltplatz checke. Biege dann aber doch zum Musikpavillon ab und nach 23h 05min bin ich mit der Weltreise fertig und sehr zufrieden. Beste Organisation, leckere Verpflegung, freundliche Helfer, Bergwacht, alle, die sich die kalte Nacht in den Bergen um die Ohren schlagen: alles, alles vom Allerfeinsten. Respekt und Danke. Eine wirklich wunderbare Veranstaltung. Mist! Noch so'n fester Termin für die nächsten Jahre ...


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