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Letzte Worte

von Karl Vitalij Karamasow
23. Februar 2017

"Was liegt am Volk, wenn Cäsar fröhlich ist?"
(Ferdinand Freiligrath, Gesammelte Dichtungen, 1871)


"Was ist, möchte man frei nach Brecht ausrufen, der großindustrielle, börsianische und mafiose Raubzug gegen den Staat im Vergleich mit der Übernahme einer ganzen Regierung? Das Selbsthilfeprojekt zur Resozialisierung nordamerikanischer Milliardäre, unter Führung des als Breitbart geschickt und vollkommen unauffällig getarnten Schmalbartanhängers Steve, grüßt und zwitschert ebenso vehement wie penetrant täglich aufs Neue wie das bekannte Murmeltier. Und entfaltet dabei mit seinem Generalangriff auf das eigene Land den Charme eines großflächigen Verkehrsunfalls; widerlich aber man kann einfach nicht wegsehen. Fast möchte man die täglichen Nachrichten aus der Neuen Welt mit gefühlvollen Enya-Melodien unterlegen ...
Sie haben Zweifel? Schauen Sie doch nur, was gestern Abend in Schweden ... nein, sagen wir in Island los war. Möglicherweise, nein ganz höchstwahrscheinlich, todsicher, ich verbürge mich, ist unter dramatischen Umständen auf dem Gelände der russischen Botschaft ein Sack mit volkschinesischem Reis umgefallen und hat zwei illegal eingewanderte Texaner mit pfälzischen Vorfahren verletzt, die nicht schnell genug weglaufen konnten. Der Reis wurde von einem naheliegenden Geysir butterweich gekocht und die Einwanderer erlagen ihren schweren Verletzungen. Und was sagt die Presse? Die schweigt wieder mal dazu. Typisch.
Apropos: Man weiß ja im Dschungel der schlecht und unverhohlen ausgedachten Meldungen kaum noch, ob man je überhaupt wieder etwas ernst nehmen soll. Haben Sie das Folgende schon gehört? Mainzer Karnevalisten wurden von aufmerksamen Alternativdeutschen als staatstragende System-Komiker entlarvt und mit einer angemessenen Zahl von Hassmails bedacht. Und Recht haben sie! Volltrunkene Schunkler mit albernen Hütchen? Alles nur Tarnung! In Wahrheit sind das geschminkte Aktivisten, die die kommunistische CDU-Revolution gegen das gesunde Volksempfinden anführen. Sieht man ja schon an den verwirrenden Verkleidungen. Und das Volk, also jedenfalls dieses neue da draußen mit den bunten Fähnchen und den rauen Stimmen, das wir uns seit kurzem schmerzhaft eingetreten haben, ist leider vollkommen humorlos. Worin sie sich wiederum auffällig mit den neuweltlichen, kleinbritannischen, kontinentalautistischen und orientalischen Sektierern gleichen. Eine ganze neue Internationale der zwanghaft unlustigen Amoralisten ist da entstanden. Denn Moral ist wie Humor, Anstand oder Menschlichkeit eine linksdefätistische Verfallserscheinung, ein Rückschritt in der natürlichen Evolution des weißen Mannes zum frisch gefönten Supertrump und stoppelbärtigen Überbannon, ein lästiges Geschwür und bakterielles Anhängsel oder einfach Teufelswerk, das herausgeschnitten, gejätet, trockengelegt, ausgemerzt und exorziert werden muss, je nachdem welchem Metaphernkosmos man anhängt.
Und ist diese undankbare, aber notwendige Arbeit (ein niemals zu schreibendes Ruhmesblatt, wie schon der selige Heinrich seinen Mannen auf den Weg gab) erst einmal erledigt, haben die verschont und übrig Gebliebenen eh nichts mehr zu lachen.



Klassiker des Tages

"Wie kahl und jämmerlich würde manches Stück Erde aussehen, wenn kein Unkraut drauf wüchse!"
(Wilhelm Raabe, Horacker, 1876)
 
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